Von Liebe und Erwartungen

Eine meiner Freundinnen schickte mir die Tage folgendes Zitat von Gustave Flaubert (1821-1880):

Liebe erblüht im Staunen einer Seele,

die nichts erwartet

und sie stirbt an der Enttäuschung des Ichs,

das alles fordert.

 

Nachdem ich Zitate liebe, habe ich auch über dieses gerne nachgedacht und im Grunde spiegelt es die meisten Paarkonflikte wider. Wir Menschen haben viele Erwartungen, besonders gerne an Partner, Freunde, Eltern und Kinder. Je höher diese Erwartungen sind, desto größer fällt die Enttäuschung aus, wenn die Erfüllung dann auf sich warten lässt. Liegt die Lösung am Ende darin, gar keine Erwartungen an andere mehr zu haben? Nein, bestimmt nicht. Allerdings werden wir heute doch nicht mehr zu Partnerschaften genötigt, die wir nicht eingehen wollen! Wir entscheiden uns also dafür. Leider oft nicht bewusst genug.

Denn Liebe braucht Freiwilligkeit, keinen Zwang. Je bedingungsloser wir das annehmen, was wir geschenkt bekommen und freiwillig geben, ohne im Gegenzug nehmen zu wollen, desto wahrhaftiger wird die Liebe sein.  Oft wird in meiner Praxis die Frage gestellt: „Wofür brauche ich dann einen Partner?“ Das ist durchaus eine berechtigte Frage. Einen Partner zu „brauchen“ halte ich allerdings für keine günstige Voraussetzung, weil dadurch der Berg an Erwartungen von vornherein dem Mount Everest gleicht. Der Partner soll uns glücklich machen, er soll unsere Bedürfnisse befriedigen (idealerweise natürlich unaufgefordert!), er soll uns Anerkennung, Bestätigung und Liebe schenken. Bleibt das aus, und das wird es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit, dann sind wir unzufrieden und was liegt näher, als die Schuld dafür dem Partner zuzuschieben?

Die Lösung läge wohl darin, sich möglichst frei und unabhängig von Anerkennung, Bestätigung und Liebe anderer zu machen. Im Innen statt im Außen danach zu suchen, denn dann könnten wir eine Partnerschaft mit idealen Voraussetzungen eingehen: Aus der Fülle heraus statt aus einer Bedürftigkeit.  Vielleicht war es das, was Gustave Flaubert schon vor über 150 Jahren nieder schrieb? Mensch, wie gerne hätte ich Monsieur Flaubert kennengelernt! (Empfehlenswert übrigens sein Roman „Madame Bovary“, der auch verfilmt wurde …)

Ideale sind quasi vollkommen und wer von uns ist das schon? Aber danach zu streben, sollte der Partnerschaft kaum schaden …

 

Foto: © privat

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3 Antworten
  1. Schnurzel
    Schnurzel says:

    Charles Bukowsky
    „Sie gestand mir, warum sie es getan hatte: „Als ich das erste Mal in deine Bude kam, schaute ich mich um, und alles war so verdreckt, aber du warst der erste Mann in meinem Leben, der keinen Fernseher hatte, und in dem Augenblick hab ich beschlossen, mit dir ins Bett zu gehen“.
    Warum einfach, wenn auch umständlich geht?

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  2. Tanja
    Tanja says:

    “ Liebe braucht Freiwilligkeit, keinen Zwang.Je bedingungsloser wir das annehmen, was wir geschenkt bekommen und freiwillig geben, ohne im Gegenzug nehmen zu wollen.“

    Ja das ist richtig.So denke ich auch.Doch sich unabhängig von Liebe,Anerkennung u.Bestätigung zu machen?Ob es wirklich ganz ohne geht?Ich liebe meinen Partner und schenke im meine Liebe und er weiß das.Ich habe nach 2 Jahren keine Liebe geschenkt bekommen.Ich habe es auch nie erwartet und doch tut es weh wenn man nie weiß was der andere an mir mag,warum er bei mir ist.Ich denke ganz ohne ein bisschen Anerkennung oder Bestätigung geht es nicht.Dann ist er vielleicht nicht der richtige Partner für mich.

    Antworten
    • Andrea Bräu
      Andrea Bräu says:

      Liebe Tanja, Deine Antwort ist völlig richtig!
      Und nein, wir können nicht ohne Annerkennung/Bestätigung sein, aber je weniger ich brauche, desto einfacher. Wenn man zwei Jahre liebt und gibt, aber nichts(?) zurückbekommt, dann stellt sich durchaus die Frage nach dem Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. Ist man Liebhaber oder Fußabtreter?

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