Trauer in der Paartherapie?

In meinen Augen ist das schmerzvolle Thema „Trauer“ in der (Paar)Therapie absolut unterschätzt. Es dürfte nicht verwundern, dass die meisten Menschen zunächst aufgrund von Beziehungskonflikten in psychologische Praxen kommen. Es ist aber ein Trugschluss zu glauben, dass Beziehungen immer nur auf der partnerschaftlichen Ebene stattfinden. Und oftmals verbirgt sich darunter weit mehr.

Die wichtigste Beziehung

Gehören Sie zu den Menschen, die unter Beziehung auch immer einen Partner vermuten? Ich sehe das anders. Denn, ganz im Gegenteil, Beziehung ist doch alles im Leben, oder? Jeder Einzelne von uns steht in unzähligen Beziehungen zu Freunden, Familie, Partnern, Arbeitskollegen, Haustieren usw. Die Allerwichtigste dabei ist jedoch die Beziehung zu sich selbst. Leider ist diese auch meist des Wurzels Übel, da sie weitestgehend vernachlässigt oder auch verdrängt wird. Unzählige Menschen haben keinen Bezug zu sich selbst und keinerlei Gespür für sich. Deshalb wissen viele auch nicht was sie brauchen, können schlecht Grenzen setzen, überfordern sich nicht selten oder kommen irgendwie fremdbestimmt durchs Leben, weil sie die Verantwortung an andere abgeben.

 

Trauerblockaden

Manchmal haben sie es schlichtweg nicht gelernt oder aber eine traumatische Erfahrung hat dazu geführt, dass die Beziehung zu sich selbst unterbrochen ist. Weil der Verlust einer emotionalen Beziehung im Leben wohl das schmerzhafteste ist, was uns passieren kann, entsteht nicht selten aufgrund von Trennung oder sogar Tod eine Art Trauerblockade. Die entsteht nämlich dann, wenn der Trauer kein angemessener Raum eingeräumt wird. Schon Kindern werden Verluste gerne rasch ausgeredet, weil ihre Traurigkeit die Erwachsenen mitbelastet. Da wird dann schon mal schnell ein neues Haustier angeschafft, um die Trauer husch husch zu verjagen.

Aber verdeckte Trauer sucht sich immer ihren Weg. Wenn nicht heute, dann morgen und das umso massiver. Natürlich spielt der Umstand einer Trennung oder des Todes eine große Rolle dabei. Letztendlich ist es therapeutisch gar nicht so wichtig, ob es um den Verlust eines Elternteils oder Geschwisters oder um die oft als Familiengeheimnis gehüteten Fehlgeburten, Abtreibungen oder Suizide geht. Die wichtigste Arbeit ist dann, erstmal Raum zu schaffen und sich mit der Trauer zu beschäftigen, um dann den Verlust ins Leben integrieren zu können. Das wirkt sich auf eine Beziehung auch immer aus und nicht selten lösen sich Probleme förmlich in Luft auf. Es lohnt sich also genau hinzuschauen.

 

Trauerkultur

Unsere (Trauer)Kultur ist darauf ausgelegt, möglichst schnell wieder zu funktionieren und unangenehme Dinge und Gefühle möglichst schnell zu verdrängen. Viele sind auch mit dem Thema per se überfordert und hilflos. „Wir müssen nach vorne blicken“, so höre ich es immer wieder in meiner Praxis und besonders gerne von Männern. Denn schließlich muss das Leben ja weitergehen. Bloß keine Schwäche zeigen.

So ist es wahrscheinlich auch dem 12-jährigen Harry passiert, dessen Mama vor 20 Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. Es handelt sich um den Sohn von Lady Di. Erst im erwachsenen Alter von 28 Jahren hat er sich Unterstützung gesucht. Gut gemacht!

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Foto: © Susanna Amberger

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